Die beiden größten Fehler, die ich beim Abnehmen in meinem Leben gemacht habe

Meine Gewichtskarriere oder über die Frage, ob ich schon immer dick war

Mein Gewicht war etwas, das mir Sorgen bereitete, seit ich denken kann (naja, fast). Ich war ein pummeliges Kindergartenkind, wohlgenährt und mit dicken Beinchen, bei denen sich immer mal wieder der Babyspeck über die Ränder der Kniestrümpfe wölbte. Aber ich war ein Kind – wohlbehütet, vergnügt, manchmal etwas schüchtern, aber in jedem Fall frei von Selbstkritik. Ich habe mir keinerlei Gedanken über mein Aussehen, geschweige denn mein Gewicht gemacht. Ja, ich habe mitbekommen, dass ich die Überschläge am Klettergerüst nicht so gut hinbekommen habe, während andere Kinder nur so durch-drehten, aber es hat mich nicht gestört. Ich war halt ich, wie ich war.

Die Gesundheitspolizei schlägt zu

Es begann damit, dass von außen gesagt wurde, dass ich zu dick bin, was sicherlich abschnittsweise nicht ganz von der Hand zu weisen war. Die ganze Familie inklusive Katze galt als zu dick, was aber im Rückblick betrachtet nur teilweise richtig war. Ich erinnere mich, dass ich als 10- oder 11jährige vom Kinderarzt in die Sauna geschickt wurde, das solle gegen Übergewicht helfen. Es fiel das böse Wort Adipositas. Das muss Ende der 80er Jahre gewesen sein… Sauna hilft ja gegen und für vieles, aber sicher nicht gegen zu viel Kilos auf den Rippen. Wie wäre es damit gewesen, meine (viel später entdeckte) Liebe zum Sport früher zu wecken?

Schwamm drüber. Tatsächlich war Sport etwas, das ich als Kind nie gern gemacht habe. Im Gegensatz zum Kindergarten, wo alles noch Spaß war, hagelte es eine schlechte Sportnote nach der anderen, ich habe die Normen einfach nicht erfüllt. Ich wurde in der Schule nie gemobbt (zu meiner Zeit sagte man noch: gehänselt), sicher weil ich ‚nur‘ pummelig und nicht deutlich übergewichtig war, Kinder können da sehr ehrlich = grausam sein. Aber Schulsport fand ich nie spannend und teilweise richtig ätzend, mit Mühe und Not habe ich meistens ne Note 3 eingefahren. Und später, ungefähr 12- oder 13jährig, hatte ich immer das Gefühl, nicht hübsch genug zu sein, es gab immer hübschere und schlankere Mädels um mich herum.

Das Diät-Karussell läuft an

Als Hintergrund: ich bin 13 Jahre lang in der DDR aufgewachsen, hinterm sogenannten Eisernen Vorhang. Die ganzen Mädchen- und Frauenzeitschriften mit ihren Ananas-, Hackfleisch- oder 10kg-in-10-Tagen-Diäten gab es also für mich auch genau zu diesem Zeitpunkt, pünktlich zum Eintritt in die Pubertät *IronieOff*. Ich hab sogar einmal eine Formula-Diät gemacht. Und ich verrate dir ein Geheimnis – das alles meistens ohne nennenswerten Erfolg. Dass man sich zum Abnehmen auf keinen Fall etwas suchen soll, was sich „Diät“ nennt, das stand Anfang der 90er Jahre noch in keiner Frauenzeitschrift.

Dies habe ich dann (viel später) auch langsam, aber sicher kapiert und mich mit dem Thema Ernährung beschäftigt: Makronährstoffe, Mikronährstoffe, Energiebedarf, Funktionsweise des Körpers, von Organen und Zellen. Und ich möchte behaupten, für einen Nicht-Ökotrophologen kenne ich mich ganz gut aus. Aber: was hat es mir geholfen? Nicht allzu viel, denn über die Jahre nahm ich kontinuierlich zu.

Nun ist es auch nicht so, dass mir die Verbindung Psyche und Essen nie bewusst gewesen wäre – auch mit diesen Themen habe ich mich irgendwann angefangen zu beschäftigen, jedoch erst deutlich später. Emotionales Essen, Überessen, Essen als Belohnung/Kompensation, Funktion von Übergewicht usw. Spannend ist hierbei der Verweis zu Themen wie inneres Kind oder Selbstwertgefühl – Themen, die ich für mich bis dato als nicht interessant/ nicht notwendig zu hinterfragen angesehen hatte. Du bemerkst sicher die Vergangenheitsform an dieser Stelle 🙂

Das Fotoalbum als Ort der Erkenntnis

Zunächst aber nochmal der Blick in die Vergangenheit. Ich wollte meine Gewichtskarriere noch einmal nachverfolgen und zwar ganz sachlich – optisch in Form von alten Fotos. Und was ich gesehen habe, hat mich nachhaltig schockiert. Ja, ich war ein pummeliges Kind, sowohl im Kindergarten als auch später wieder in der Schule, aber – zwischendrin sah ich ein durchaus normales Kind und auch als ca. 14jährige hatte ich eine ganz normale Figur. Eine ganz NORMALE Figur! Das hat mich ziemlich geschockt, denn ich erinnere mich an nur an ein Bewusstsein für zu dick sein. Ich hatte nie das Gefühl, dass ich körperlich in Ordnung oder normal wäre.

Und an der Stelle kann ich dir bestätigen, wie machtvoll Manifestationen sein können – ich war in meiner Vorstellung immer dick und siehe da, mein Gehirn hat alles dafür getan, dass mein Körper auch wirklich folgt. Aber nicht einknicken an dieser Stelle – sehen wir dies als positive Erkenntnis: was du dir vorstellen kannst, das kannst du auch sein.

Es folgte eine Phase mit extremer Zunahme, wenn man es im Resultat betrachtet. Denn ich schätze, es waren 20 Kilo verteilt auf 10 Jahre, jedes Jahr zwei Kilo mehr, im Monat also weniger als 200 Gramm, fast unmerklich. Dann ging ich mit Mitte 20 durch die erste „Selbstfindungsphase“ meines Lebens, veränderte im Zuge dessen mein privates Umfeld um 180 Grad und nahm in der Phase auch ca. 20 Kilo ab. Zusammen mit der spät entdeckten Liebe zum Sport und einem soliden Ernährungswissen gelang mir diese Abnahme fast mühelos in ca. einem Jahr. Wenn man bedenkt, dass ich ordentlich Muckis aufgebaut hatte, dann waren es sicher mehr als 20 Kilo Fett, die ich da verloren hatte. Mein Körper dankte es mir mit der Form meines Lebens – ich strotzte vor Kondition und Kraft und war top in Form, wenn ich so die Fotos betrachte. Aber rate mal, was mich damals beschäftigte? Die nicht ideale Form meiner Oberschenkel… ohne Worte an der Stelle.

Eskalationsstufe: Stress

Ich genoss die Zeit, aber die nächste Zunahmewelle XL war nicht weit. Zwischendurch durch mehr oder weniger zaghafte Diät-Versuche, z.B. soziale Kontrolle durch WW, zeitweise aufgehalten, schob sich der Kalorien-Tsunami dennoch unaufhaltsam durch mein Leben. Und diesmal hatten die „Durchschnittsgeschwindigkeit“ und die „Langstreckenausdauer“ etwas angezogen – es schlugen satte 35 Kilo in 15 Jahren zu Buche. Sicher hatte mein Gehirn Alarm geschlagen, dass wir soweit von seiner Manifestation („Du bist dick!“) abgekommen waren, dass wir mal Gas geben müssten.

Und es verbündete sich dazu mit einem mächtigen Partner (Stress), so dass möglichst wenig Raum bleiben sollte, um mich mit meinem Gewicht zu beschäftigen.

Cut.

Diesen Raum habe ich mir 2019 genommen, in meiner Auszeit. Und eines Morgens im Mai 2019 beim Zähneputzen wusste ich es. Ich wusste auf einmal, was die beiden größten Fehler waren, die ich beim Abnehmen bisher gemacht hatte. Die entscheidenden Dinge, die verhinderten, dass ich das wiege, was mein Bewusst-Ich damals wollte.

  • Fehler #1:

Konkret hatte ich den Satz ein paar Tage vorher in einem Podcast gehört: Du kannst im Leben nie ankommen. Sicher vorher auch schon oft gehört – jaa doch, auch im Zusammenhang mit der lebenslangen Umstellung der Ernährung, aber dort hatte ich zum ersten Mal in meinem Leben wirklich gefühlt, was das bedeutet.

Vielleicht dadurch, dass mir der physische Antritt meines Sabbaticals tatsächlich nicht die vorgestellten Glücksgefühle brachte, die waren während der Entscheidungs- und Umsetzungsphase der Kündigung viel stärker. Es geht eben nicht darum, Gewicht abzubauen und dann wieder zur Tagesordnung überzugehen. Es geht darum, achtsam mit meiner Ernährung umzugehen und insbesondere zu schauen, warum ich das zu mir nehme, was ich zu mir nehme.

  • Fehler #2:

Ich hatte mich jahrelang um das Thema Selbstwert geschlichen und behauptet, da wäre alles in Ordnung. Ja, muss ja – stünde ich sonst da, wo ich stehe! Erfolgreich im Leben, im Beruf, 1a Beziehung und gute Freunde, Hobbies, Reisen und so weiter. Also!

Erst während meiner Auszeit hatte ich den Mut anzuerkennen, dass ich bei dem Thema nochmal hinschauen durfte. Ich hatte mich schon vor einiger Zeit mit meinen Glaubenssätzen beschäftigt, aber erst da war die Zeit reif für mein Warum. Warum tue ich die Dinge, die ich tue – der wirkliche, tiefliegende Grund. Und ich hatte das warme, sichere Gefühl, dass ich damit meinen Kern berühre.

Fast forward.

März 2020. Aus den Erkenntnissen ist in der Zwischenzeit eine Berufung geworden. Und aus der Reflexion heraus weiß ich heute, dass ich nicht abnehmen muss, um wertvoll zu sein. Ich bin überzeugt, dass ich gut und richtig bin, wie ich bin.

Heute verstehe ich mich als Botschafterin für Körperakzeptanz und Selbstliebe. Weil ich möchte, dass mehr Frauen erkennen, dass sie richtig sind. Genau so wie sie sind.